Lehrinhalte

Mit der Essenz des Dao im Einklang

Im fortlaufenden Training des Taijiquan gilt es, die nachfolgenden Übungsbereiche in ihrer Gesamtheit zu erfassen und zu kultivieren. Bewegungsabläufe werden nicht als äußerliche Kür erlernt, sondern bilden lediglich den Rahmen, innerhalb dessen Theorie, Methodik und innere Praxis vermittelt werden. Ziel ist es, das Wesen des Systems mit all seinen Ebenen zu durchdringen. Eine Bewegungs- oder Kampfkunst in ihrer Tiefe zu begreifen, erfordert kontinuierliches, langjähriges Lernen und aufmerksames Üben.

Wer Taijiquan in erster Linie zur Gesundheitspflege üben möchte, sollte sich vom kämpferischen Ursprung dieser Kunst nicht abschrecken lassen. Es ist keineswegs erforderlich, das Kämpfen zu erlernen. Zugleich gilt jedoch: Die im Taijiquan vermittelte Körpermechanik ist untrennbar mit der Kampfkunst verbunden – gerade daraus erwächst ihre Wirksamkeit.

Bewegungen, die in der Anwendung nicht bestehen könnten, beruhen in der Regel nicht auf einer korrekten inneren Struktur.

Taijiquan kann in jedem Alter begonnen werden; das Training wird den individuellen Möglichkeiten angepasst und begleitet den Übenden auf seinem eigenen Weg.

Nachfolgende Inhalte bilden keine starren Stufenfolgen; sie sind vielfältig miteinander verknüpft und wirken gegenseitig aufeinander ein.

Jiben Gong (Grundübungen)

Grundlegende Übungen zur Stärkung des Körpers und zur Förderung seiner natürlichen Beweglichkeit. Isolierte Abläufe dienen dem vertieften Verständnis zentraler Prinzipien und bilden das Fundament aller weiteren Praxis.

Die fortlaufende, im Idealfall tägliche Pflege dieser wesentlichen Konzepte der Bewegungskunst und Kampfkunst des Taijiquan reicht weit über ein bloßes Einüben bestimmter Reflexe hinaus. Sie stellt vielmehr einen Prozess der inneren Durchdringung dar, in dem Körper, Atem und Intention allmählich zu einer Einheit reifen.

Taiji Daoyin

Übungen des Dehnens und Leitens, die den Körper öffnen, die Gelenke durchlässig machen und den Atem mit der geführten Bewegung in Einklang bringen. Sie bereiten den Übenden auf die nachfolgende Praxis vor und bilden zugleich eine eigenständige, überlieferte Methode, um Qi zu harmonisieren, den Körper zu ordnen und das allgemeine Wohlbefinden zu nähren.

Jiben Gong - Zhan Zhuang Gong "Stehen wie ein Baum"

Das stille Stehen dient der Kultivierung einer geordneten Körperstruktur sowie dem für das Taijiquan grundlegenden Öffnen und Lösen (fang-song). Durch die Übung wird das energetische Gleichgewicht im Körper reguliert und nachhaltig genährt. Geübt wird sowohl in schulterbreiter Haltung als auch im tiefen Stand (mabu); das Gewicht ist meist gleich verteilt, kann jedoch je nach Schwerpunktsetzung auch einseitig geführt werden.

Wesentliche Aspekte sind die Ausrichtung von Scheitelpunkt (baihui) und Dammpunkt (huiyin), die innere Weitung von Brustbein und unterem Rücken, die schrittweise Einbeziehung des Hörsinns, der bewusste Einsatz der Vorstellungskraft (yi) sowie das subtile Öffnen und Schließen (kai-he) im ganzen Körper.

Im Kern jedoch zielt die Praxis darauf, die inneren Bewegungs- und Wirkmechanismen des Körpers auf neue Weise von innen heraus zu erfassen und aufzubauen (neijin). Dazu gehört insbesondere die Entwicklung eines realen Zentrums (dantian), das die Grundlage der spezifischen kämpferischen Eigenschaften des Taijiquan bildet.

So wird diese grundlegende Übung zu einer Form der inneren Arbeit (neigong), die seit alters her als Maßstab wirklicher Fertigkeit (gongfu) gilt und die inneren Künste von rein äußerlich-kraftbasierten Methoden unterscheidet.

  • Zhanligong: Stehen mit hängenden Armen bzw. Wuji zhuang
  • Baoqiugong: Die Kugel umarmen

Jiben Gong - Chan Si Gong

Die Übung des "Abhaspelns des Seidenfadens" bildet einen Kern der inneren Methodik des Chen-Clan Taijiquan. In speziellen Bewegungsreihen werden die Spiralmethode (chansi-fa) und die daraus hervorgehende Spiralkraft (chansi-jin) verfeinert.

Die windenden, schraubenden und kreisenden Bewegungen durchdringen den gesamten Körper: Sie bündeln die Struktur, verdichten den Raum im Inneren und zugleich vervielfachen sie die Kräfte, die im Moment des Wirkens zur Entfaltung kommen.

So entsteht jene charakteristische, lebendige Kraftführung, die das traditionelle Taijiquan seit jeher auszeichnet.

  • Danshougong: Einarmig
  • Shuangshougong: Beidarmig

Jiben Gong - Xiazhigong

Methode zur Entwicklung der unteren Gliedmaßen

  • Jinbugong: Vorwärtsschreiten
  • Houtuigong: Rückwärtsschreiten
  • Tuigong: Beinarbeit

Neigong bzw. Neijin - Innere Arbeit

Mit Neijin bzw. Neigong bezeichnet die stille, grundlegende Schulung des Inneren: die Verfeinerung von Atmung, Haltung, Kraftführung über eine Spiralverbindung, und Bewusstheit. Durch konzentrierte, oft unscheinbare Übungen werden Struktur, Qi-Fluss und Geist in eine natürliche Ordnung zurückgeführt.

Diese "innere Arbeit" bildet das Fundament aller höheren Fertigkeiten des Taijiquan — sie stärkt den Körper von innen heraus, klärt den Geist und bereitet den Weg zu wirklicher Tiefe der Praxis.

Taolu - Handformen

  • Sizheng Taijiquan: Das Taijiquan der vier Hauptrichtungen.
    Ein von Meister Chen Peishan geschaffenes Taijiquan-System, das die Anforderungen der heutigen Zeit berücksichtigt und zugleich fest auf den Prinzipien und Übungsmethoden des traditionellen Chen-Clan Taijiquan ruht. Es eignet sich besonders für Einsteiger, zur nachhaltigen Pflege von Gesundheit und Balance sowie als wertvolle Ergänzung zu anderen Kampfkünsten und körperlichen Disziplinen.
    Weiterführende Informationen finden sich im Beitrag "Sizheng-Taijiquan".
  • Chen Shi Xiaojia Yilu: erste traditionelle lange Form des Kleinen Rahmen Chen-Clan.
    Die erste traditionelle Handform (taolu) des Chen-Clan Taijiquan umfasst 75 Bewegungsbilder und bildet den Kern der inneren Kampfkunst. Sie ist keine Choreographie, die ästhetischen Normen oder reiner Entspannung dienen soll. Vielmehr bewahrt sie die zentralen philosophischen Prinzipien sowie die körperlichen und kämpferischen Grundlagen dieser Kunst.
    Das Üben der Form folgt daher einem präzisen, zielgerichteten Aufbau, dessen Schwerpunkt je nach Lernstand und Ausrichtung unterschiedlich gesetzt werden kann.
    Weiterführende Informationen finden sich im Beitrag "Chen Taijiquan Xiaojia"
  • Paochui bzw. Erlu: Paochui – die "Art des Kanonenschlags" – ist die zweite traditionelle Handform des Chen-Clan Taijiquan. Sie zeichnet sich durch einen dynamischeren, kraftvolleren Ausdruck aus und führt die in der ersten Form erarbeiteten Grundlagen zu explosiver Kraftentfaltung (fa-jin), klaren Richtungswechseln und präziser Körperkoordination.
    Während die erste Form innere Struktur, Verbindung und Spiralprinzip stärkt, zeigt Paochui deren kampfkünstlerische Umsetzung, in der Ruhe und plötzliche Entladung in natürlichem Wechsel stehen.

Waffen

Taijiquan umfasst nicht allein den waffenlosen Kampf, sondern – je nach Überlieferung – auch die Übung klassischer Waffen (bing) der chinesischen Kampfkünste.
Im Kleinen Rahmen des Chen-Taijiquan stehen vor allem Schwert (jian), Säbel (dao) und Hellebarde (chunqiu dadao) im Mittelpunkt der Praxis.

Das Waffenüben und das waffenlose Training durchdringen und ergänzen einander: Beide folgen denselben inneren Prinzipien und formen gemeinsam jene Einheit von Körper, Geist und Technik, die das traditionelle Taijiquan auszeichnet.

  • Dao: Säbel
  • Jian: Schwert
  • Dadao: Hellebarde
  • Gun: Stock
  • Qiang: Speer
  • Jian: Streitkolben

Yongfa - Anwendungen

  • Taolu Yongfa – Anwendungsprinzipien und strategische Umsetzung der Formen.
  • TuishouSchiebende Hände (auch Geshou, schabende Hände, oder Dashou, schlagende Hände): klassische Partnerarbeit in vielfältigen Varianten zur Schulung von Wahrnehmung, Struktur, Kraftführung und Reaktion.
    Tuishou – die "schiebenden Hände" bilden eine zentrale Partnerpraxis des Taijiquan. In der grundlegenden Form "ein Schritt vor, ein Schritt zurück" werden zuerst die vier Basisenergien peng, lü, ji und an geschult. Mit wachsendem Verständnis für die inneren Prinzipien – insbesondere körperliche Gelöstheit (fang-song), das feine Spüren der Kraft und Intention des Partners (ting-jin) sowie deren richtige Deutung (dong-jin) – können weitere Wirkkräfte und Anwendungen wie zhai, lie, jiou, kao sowie qinna (Greifen, Werfen, Hebeln u.a.) organisch in das Tuishou integriert werden.
    Ergänzend zum Tuishou und zur Vertiefung des Verständnisses der taolu dient die isolierte Partnerarbeit einzelner Prinzipien und Anwendungen, durch die Struktur, Timing und innere Kraftführung weiter verfeinert werden.
  • Taiji SanshouZerstreute Hände: Übungen des freieren bis freien Kampfes, in denen die Prinzipien des Taijiquan unmittelbar angewandt und erprobt werden.
  • Nafa und Qinna – Methoden des Greifens, Hebelns und Kontrollierens: Techniken zum Angreifen von Gelenken, zum Pressen empfindlicher Punkte, zum Würgen und zur Fixierung des Gegners.

Theorie

  • Körpermechanik
  • Prinzipien, Leitsätze, klassische Texte
  • Geschichte und Entwicklung des Taijiquan und der chinesischen Kampfkünste
  • Chinesische Philosophie
  • Chinesische Medizin

Videos: Die Geschwister Chen Peishan & Chen Peiju (20. Generation des Chen Clans)